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Weiter auf der Spur der grünen Sahara

Forschende haben ein neues Konzept entwickelt, anhand dessen die sogenannte grüne Sahara, die bis vor etwa 5.000 Jahren existierte, erklärt werden kann. Hierfür untersuchten sie fossile Pollen und Pflanzenwachse in einem Sedimentarchiv. Die Befunde überprüften sie mit einem Vegetationsmodell. Dadurch konnten sie nachweisen, dass eine dauerhafte Vegetationsbedeckung in der Sahara nur möglich war, weil sich zwei Regenzeiten überschnitten haben. Ihre Ergebnisse haben Dr. Enno Schefuß vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, Dr. Rachid Cheddadi von der Universität Montpellier und ihre Kolleginnen und Kollegen jetzt in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.

In der Sahara hat es nicht immer nur Sand und Fels gegeben. In einer Periode von 14.500 bis vor 5.000 Jahren vor heute waren große Teile Nordafrikas stärker besiedelt und die heutige Wüste grün. Darauf weisen Felsmalereien an verschiedenen Orten hin, die nicht nur Giraffen und Krokodile zeigen, sondern zum Beispiel auch schwimmende Menschen in der so genannten „Höhle der Schwimmer“. Diese Zeit wird als „Grüne Sahara“ oder Afrikanische Feuchtphase bezeichnet. Bislang sind Forschende davon ausgegangen, dass der Regen aus den Tropen durch den Sommermonsun gebracht wurde. Etwa alle 25.000 Jahre kommt es durch das Kreiseln der geneigten Erdachse zur erhöhten Sonneneinstrahlung über Nordafrika, die für die Verschiebung des Monsuns nach Norden verantwortlich gemacht wurde. Allerdings schafften es Klimamodelle bislang nicht, das Pflanzenwachstum in der Sahara allein mit dem Sommermonsun so zu simulieren, dass die Wüste zur grünen Sahara wird. Denn allein mit einer Regensaison im Jahr, da sind sich die Forschenden sicher, lässt sich eine dauerhafte Vegetation im Norden Afrikas nicht erklären.

Ein internationales Team von Forschenden um Dr. Enno Schefuß vom MARUM und Dr. Rachid Cheddadi von der Universität Montpellier (Frankreich) hat nun Pollen und Pflanzenwachse aus einem Sedimentkern untersucht, um Pflanzenbedeckung und Regenmengen in der Vergangenheit zu rekonstruieren. Beides stammt aus einem Sedimentkern des Tislit-Sees im marokkanischen Hohen Atlas. Wie in marinen Sedimenten lagern sich auch in Seen fossile Bestandteile von Pflanzen wie Pollen und resistente Pflanzenmoleküle ab. Sie ermöglichen es, die Vegetation und das Klima früherer Zeiten zu bestimmen.

„Unsere Ergebnisse sind eindeutig“, erklärt Enno Schefuß, „während die Pflanzenwachse die Zunahme der Regenmenge in der Afrikanischen Feuchtphase anzeigen, weisen die Pollen ganz explizit darauf hin, dass es sich um eine mediterrane Vegetation gehandelt hat, keine subtropische oder gar tropische.“ Mediterrane Pflanzen können Trockenheit im Sommer tolerieren, solange sie genug Winterregen bekommen. „Das bedeutet, dass die Rekonstruktionen des Monsuns aus früheren Studien neu überdacht werden müssen.“
Auf Basis dieser Befunde entwickelten Schefuß und seine Kolleginnen und Kollegen ein neues Konzept, um die grüne Sahara zu erklären. Zeitgleich mit der Intensivierung und Verschiebung des Monsuns im Sommer nach Norden muss es in der Zeit der grünen Sahara zu einer südwärtigen Verschiebung des Westwindgürtels im Winter gekommen sein, die erhöhte Winterniederschläge nach Nordafrika brachte. Ihre Klimarekonstruktionen aus dem Tislit Archiv hat das Team dann mittels eines mechanistischen Vegetationsmodells überprüft. „Am Nordrand der Sahara haben wir Winterregen, am Südrand den Monsun und in der Zone dazwischen eine Überlappung beider Regensysteme, es regnet also im Sommer und Winter, wenn auch nur wenig“, erläutert Rachid Cheddadi. Das Resultat der Vegetationssimulation sei eindeutig gewesen, eine grüne Sahara bildete sich. Eine kontinuierliche Vegetationsbedeckung konnte sich nur mit Niederschlägen in zwei Jahreszeiten bilden, eine lange Trockenphase nach einer kurzen Regenzeit überstehen die Pflanzen nicht.

Schefuß und seine Kollegen bezeichnen ihre Ergebnisse als Paradigmenwechsel in der Klimaforschung, um die Ursache der grünen Sahara zu erklären. Auswirkungen hat dieser nicht nur für ein besseres Verständnis vergangener Klimazustände, sondern auch für verbesserte Vorhersagemöglichkeiten künftiger Klima- und Vegetationsentwicklungen der Region sowie auch für die Archäologie, die Besiedlungsmuster und Migrationswege untersucht.

Eine geplante Expedition mit dem FS METEOR, bei der weitere hochauflösende Sedimentarchive aus küstennahen Ablagerungen vor Marokko gewonnen werden sollten, musste aufgrund der CoVid 19-Pandemie verschoben werden. Sie soll aber so bald wie möglich nachgeholt werden, um diese Forschungen und die deutsch-marokkanische Zusammenarbeit weiter zu stärken.

Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.

Siehe auch: Als durch die grüne Sahara noch Flüsse flossen und Menschen haben den Beginn der Wüste Sahara um 500 Jahre verzögert und Neue Erkenntnisse zur Entstehungsgeschichte der Sahara

Titelbild: Der Tislit-See liegt im marokkanischen Hohen Atlas. Der nächste Schritt ist es, weitere hochauflösende Sedimentarchive aus küstennahen Ablagerungen vor Marokko zu gewinnen. – Foto: Rachid Cheddadi, Universität Montpellier

PNAS via Informationsdienst Wissenschaft (IDW)